An der Startlinie begrüßte mich ein bekanntes Gesicht aus der deutschen Laufszene: Sven Praetorius aus Erfurt, ein gebürtiger Berliner. Mit seinem Erfurter Laufteam hatte er in diesem Sommer den begehrten Deutschen 3x1000-Meter-Staffel-Meister-Titel auf der Zielgeraden den Berlinern mit Carsten Schlangen von der LG Nord abgerungen. Ich freute mich, dass mit Sven ein Läufer, der auch über 10 Kilometer schnell laufen kann, mit ins Rennen ging. So würde ich nicht alleine auf den breiten Straßen unterwegs sein. Eine genaue Zeit oder ein genaues Tempo hatte ich nicht im Kopf. Eine Woche nach meinem Halbmarathon im anvisierten Marathon-Tempo, wollte ich heute aber noch einen Gang höher schalten. Ich war gespannt zu erleben, wie mein Körper auch ohne Tempotraining am Limit arbeiten würde. Nach einer Einführungsrunde auf der Aschenbahn gegenüber vom Tempelhofer Feld ging ich nach vorne. Seite an Seite steuerte ich mit Sven auf den Südstern zu. Ich spielte ein wenig mit meinem Laufschritt und der Frequenz. Ein Stückchen lief ich hinter Sven, dann ging ich wieder nach vorne. So langsam kam ich ins Rollen und versuchte das Renntempo zu finden, was ich bis zum Ziel durchhalten konnte. Ich fühlte mich locker und meine Fußballen schoben mich Schritt um Schritt vorwärts. Ein unglaublich tolles Gefühl, wenn der Körper im Einklang arbeitet. Vor mir räumte die Polizei die Straße frei. Am Sonntagvormittag wurden einige Autofahrer von den nahenden Läufern überrascht. Sven folgte mir mit etwas Abstand. Ich wusste jedoch nicht, ob er nicht schneller wollte oder nicht schneller konnte. Ich orientierte mich nach vorne. Nach 5 Kilometern ging es im Karree und dann den selben Weg durch das zentral gelegene Stadtviertel zurück. Ich folgte den Polizeifahrzeugen und musste bei der ein oder anderen Abgaswolke auch mal die Luft kräftig anhalten. “Sven ist nicht mehr zu sehen”, so lautete die Info von meinem Trainer. Wie ich später erfuhr, hatte seine Freundin, die auch mitlief, wegen einer Muskelverletzung das Rennen abbrechen müssen. Als Sven ihr entgegengelaufen kam und sie am Streckenrand sah, beendete auch er das Rennen, um ihr zur Seite zu stehen. Unbeirrt flog ich dem Ziel entgegen. Inzwischen musste ich schon ein wenig mehr Druck machen, um das Tempo alleine hoch zu halten. Der Kontrast zum Training war nun doch sehr gravierend. Genau das hatte ich gebraucht. Die Lungenarbeit war am Anschlag. Mehr Sauerstoff für den Blutkreislauf und damit für die Muskelatur gab es nicht mehr. Jetzt war es aber auch nicht mehr weit. Zufrieden schwenkte ich wenig später auf das Sportgelände ein und drehte noch gerne eine Extrarunde im Stadion, bevor ich die Ziellinie erreicht hatte. 32 Minuten und 8 Sekunden über die rund 10,5 Kilometer — wobei ich dazusagen muss, dass die vorgegebene Strecke real um ca. 200 bis 300 Meter kürzer sein sollte — sind eine Leistung, die zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg in Richtung Marathon-DM bin.
Bei der Siegerehrung freute ich mich neben zwei Pokalen besonders über einen umfangreichen Bildband über die Olympischen Spiele 2012 in London. Die nächsten Tage werde ich mir zum einen etwas Ruhe gönnen, am 27. August meinen Geburtstag feiern. Zum anderen werde ich im Verlauf der nächsten Woche wieder neue Spannung aufbauen, um in bestmöglicher Form am 1. September bei den Berlin-Brandenburgischen Halbmarathon-Meister-schaften im Kampf um den Titel mitzumischen. Ein Sieg wäre mein erster Einzeltitel auf Landesebene und gleichzeitig würde ich damit den Berliner Läufercup für mich entscheiden. Das sind tolle Aussichten, für die ich meine ganze Leidenschaft aufbringen werde.